Digitalisierung von Kita und Krippe

Wir halten es für falsch, dass Kindern schon im Krippenalter digitale Endgeräte näher gebracht werden sollen!

Die Stadt Barsinghausen sollte auf die Einführung digitaler Medien in Kitas verzichten und stattdessen in analoge entwicklungsfördernde Bildungsangebote investieren. Dies ist die Auffassung der AFB-WG Fraktion nach intensiver Debatte.

Wir begrüßen es, dass die Stadt mit einer Kita App Elterninformationen und Kontakte intensivieren wird. Gerade in der schwierigen Situation, dass immer wieder Gruppen geschlossen oder die Betreuungszeiten verkürzt werden, sind direkte und frühzeitige Kommunikation und Information wichtig.

Den Einzug der Digitalisierung in die Kita und Krippengruppen selbst halten wir jedoch für völlig falsch und fordern: Auf digitale Medien in Kitas verzichten!

Hier unsere Gründe:

Entwicklung des Gehirns; Bedeutung realer, sensorischer Erfahrungen

Die ersten Lebensjahre der Kinder ist von einem intensiven Aufbau neuronaler Verbindungen geprägt. Zentral dabei ist, dass das Gehirn durch körperliche Interaktion, Bewegung, Sprache und soziale Bindung stimuliert wird. Studien der Neurobiologin Prof. Dr. Gertraut Teuchert-Noodt zeigen, dass frühe Bildschirmnutzung die Reifung des präfrontalen Cortex beeinträchtigen kann. Die Hirnregion ist für Impulskontrolle, Konzentration und Problemlösung wichtig. (Teuchert-Noodt, 2017)

Auch die American Academy of Pediatrics (AAP 2016/2018) betont, dass Kleinkinder vorrangig durch körperliche und soziale Interaktion lernen. Digitale Reize können diese komplexen Lernformen nicht in gleicher Weise unterstützen. Tablets und Bildschirme reduzieren multisensorische Erfahrungen. Die zweidimensionale Reizverarbeitung auf Displays kann dreidimensionale Wahrnehmungs- und Motorikerfahrungen nicht ersetzen. Feinmotorik, räumliches Denken und Balance entstehen durch reale physische Erkundung – nicht durch Wischen über einen Bildschirm.

Sprachentwicklung leidet durch digitale Medien

Für Kitakinder ist Sprachentwicklung ein zentrales Entwicklungsziel. Zahlreiche Studien zeigen jedoch, dass Bildschirmzeit bei Kleinkindern mit verzögerter Sprachentwicklung einhergeht. Beispielsweise fanden Madigan et al. (2019) in einer groß angelegten Studie heraus, dass bereits 30 Minuten Bildschirmzeit pro Tag mit messbaren Sprachdefiziten bei Dreijährigen korrelieren. Auch die WHO (2019) wart ausdrücklich vor Bildschirmen im frühen Kindesalter, da sie die sprachliche und kommunikative Entwicklung beeinträchtigen können.

Grund: Sprache entsteht durch echte, soziale Interaktion – Dialoge, Mimik, Gestik, spontane Reaktionen. Digitale Inhalte ersetzen diese dynamischen Wechselprozess nicht. Medienkonsum ist passiv, Sprache jedoch aktiv.

Konzentration, Aufmerksamkeit und Reizüberflutung

Digital gestaltete Lernmaterialien arbeiten oft mit belohnungsbasierten Mechanismen (Töne, Animationen, schnelle Bildwechsel). Für Vorschulkinder, deren Aufmerksamkeitsregulation sich noch entwickelt, führt dies zu einer Überstimulation des dopaminergen Belohnungssystems. Der Psychologe Prof. Dr. Manfred Spitzer und andere Forscher weisen darauf hin, dass frühe Bildschirmnutzung mit erhöhter Ablenkbarkeit, geringerer Frustrationstoleranz und Schwierigkeiten beim Fokussieren zusammenhängt. Im Kitaalltag beobachten PädagogInnen zudem häufig, dass Kinder nach intensiver tabletnutzung motorisch unruhiger und emotional reizbarer sind.

Soziale Kompetenz und Empathie brauchen echte Begegnung

Die Entwicklung von Empathie, Konfliktfähigkeit und sozialem Lernen ist im Kitalalter besonders wichtig. Digitale Medien können diese Prozesse nicht ersetzen – oft behindern sie.

Die Entwicklungspsychologin Prof. Dr. Alison Gopnik betont, dass Kinder durch Miteinander Spiele, Streiten, Verhandeln und gemeinsame Problemlösung ihre soziale Intelligenz entwickeln. Bildschirmaktivitäten hingegen finden häufig isoliert statt und fördern passive Konsumentenhaltung. Ein Kind, dass Zeit mit dem Tablet verbringt, interagiert nicht mit anderen Kindern. Dadurch fehlen wertvolle Momente echten sozialen Lernens.

Körperliche Entwicklung: Bewegung statt Bildschirm

Die Kita ist ein Ort für Bewegung – Laufen, Klettern, Bauen, Toben. Diese Aktivitäten fördern Motorik, Körperkoordination und das vestibuläre System. Die WHO-Richtlinien zu körperlicher Aktivität (2019) empfehlen ausdrücklich, Bildschirme in der frühen Kindheit stark einzuschränken. Kinder unter fünf Jahren sollen möglichst keine Bildschirmzeit haben, außer für kurze Videotelefonate. Digitale Geräte führen im Kitalalltag regelmäßig zu: weniger Bewegung, schlechterer Körperhaltung, früheren Sehproblemen, höheren Stresswerten (Hu et al., 2020). Die Einführung digitaler Medien steht somit im direkten Konflikt zu gesundheitlichen Empfehlungen.

Fehlende pädagogische Notwendigkeit

Digitale Medien in der Kita werden häufig mit dem Argument „digitale Bildung“ gerechtfertig. Doch der Erwerb digitaler Kompetenz in den späteren Schuljahren findet schnell und ohne Probleme statt, wie zahlreiche Vergleichsstudien zeigen (z.B. OECD, 2021). Kinder brauchen keine Tablets, um digitale Kompetenzen zu erwerben. Sie brauchen stabile Grundlagen: Konzentration, Sprache, Motorik, Kreativität, Sozialkompetenz. Diese entstehen vor der Medienkompetenz – nicht durch sie.

Erhöhtes Suchtpotenzial

Digitale Medien arbeiten oft mit Mechanismen, die bei kleinen Kindern schnell zu ungesundem Nutzungsverhalten führen können – schnelle Belohnun, starke visuelle Reize, sofortige Reaktionszyklen. Studien aus Südkorea und den USA zeigen, dass frühe Bildschirmexposition mit erhöhten Risiko für späteres problematisches Medienverhalten verbunden ist. (Kosteniuk & Kross, 2021). Das Kitaalter ist hierfür besonders anfällig, da Kinder in dieser Phase noch keine Selbstregulation besitzen.

Fazit: Auf digitale Medien in Kitas verzichten

Kitas sollten sichere Entwicklungsräume bieten – voller Bewegung, Kreativität, Naturerfahrung und sozialer Interaktion. Die aktuelle Evidenzlage spricht klar gegen die Einführung digitaler Medien in der frühen Kindheit. Statt Tablets braucht es: gute Sprachförderung, interaktive Spiele, Bewegung in der Natur, kreative Bastel- und Bauangebote, pädagogisch geschulte Fachkräfte. Digitale Bildung kann sinnvoll sein – aber nicht im Kitaalter. Die Stadt Barsinghausen sollte daher auf die Einführung digitaler Medien in Kitas verzichten und stattdessen in analoge entwicklungsfördernde Bildungsangebote investieren.

Der Einsatz für eine gute Kinderbetreuung ist ein Schwerpunkt unserer Fraktion. Mehr zu unseren Aktivitäten hier.

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